Wenn der Körper auf Konflikte reagiert

Kennen Sie das: Ihr Körper zeigt Symptome, die Sie sich nicht erklären können? Wiederholte Gänge, auch zu verschiedenen (Fach-)ärzten bleiben erfolglos, weil keine körperliche Ursache gefunden wird.

Dann kann es sinnvoll sein, einmal auf psychotherapeutischer Ebene zu schauen, welche anderen Ursachen hinter den Symptomen stecken können. Denn innerhalb einer ganzheitlichen Betrachtung des Menschen wird davon ausgegangen, dass Körper und Geist eine Einheit bilden und sich gegenseitig bedingen.

So können auch unbewusste oder unbearbeitete Konflikte dazu beitragen, dass unser Körper auf diese reagiert und uns damit sagen möchte, diesen Konflikt zu bearbeiten. Doch gerade diesen hintergründigen Konflikt aufzuspüren bedarf oft viel Feingefühl und eine fachkundige Sicht von außen. Meist stecken wir in unserem Alltag so vertieft im Hier und Jetzt, dass uns der Blick auf vergangene oder auch aktuelle nicht sichtbare Konflikte versperrt bleibt.

Aber verstehen wir überhaupt unter einem Konflikt? Die wissenschaftliche Definition geht tiefer, als unsere allgemeine Annahme.

"Sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren […] wobei wenigstens ein Aktor Unvereinbarkeiten im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder wollen mit dem anderen Aktor […] in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor […] erfolge.“                                                                     (Friedrich Glasl)

Nach dieser Definition können wir bereits in einem Konflikt stecken, ohne dass uns dies bewusst ist oder wir uns einbezogen fühlen.

Dennoch wirken sich solche Unvereinbarkeiten auf uns aus. Und wenn unser Kopf dies nicht alleine regeln kann, nimmt er die Unterstützung unseres Körpers an, dessen Symptomen wir meist mehr Beachtung schenken.

Um nun den Zusammenhang zu auftretenden Symptome bzw. Gesundheit herstellen zu können, scheint es interessant zu sein, eine Definition von Gesundheit zu haben. Nach der Weltgesundheitsorganisation ist Gesundheit

„...ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“

Nun wird deutlich, wie schnell wir nicht mehr gesund sind und uns auch äußere Faktoren beeinflussen.

Neben dem aktuell wohl bekanntesten Ansatz von Krankheit – dem naturwissenschaftlich-medizinischem, wird diese als eine physiologische Fehlfunktion mit Ursache im Organismus selbst gesehen. Daneben gibt es jedoch auch andere, mehr oder weniger diskutierte, Ansätze. So können weitere Ursachen auch persönliche/individuelle, zwischenmenschliche oder sozialstrukturelle, aber auch politische oder psychische sein. Im etwas umfassenderen psychosomatisch-medizinischen Ansatz wird die Ursache einer Krankheit als eine Verbindung zwischen der Krankheit selbst und der Lebensgeschichte des Menschen gesehen. So können bei 20% aller Patienten keine organischen Ursachen für ein körperliches Leiden gefunden werden.

Ein solcher Zusammenhang zwischen Körper und Geist ist fast täglich spürbar:

  • Uns liegt etwas schwer im Magen
  • Wir machen uns vor Angst in die Hose
  • Wir erröten vor Scham
  • Unser Herzschlag beschleunigt sich

Aber warum ist uns dieser Zusammenhang im Alltag oft nicht bewusst? Ein Grund könnte das psychoanalytische Konzept der Abwehr sein. Die menschliche Abwehr dient dazu, ungewollte Gefühle, Emotionen und Affekte von uns/unserem Bewusstsein fernzuhalten. Sie ist damit Schutz und gleichzeitig Bewältigungsmechanismus unserer Psyche. Dabei können diese Abwehrmechanismen reif oder unreif sein.

Abwehrmechanismen und Psychosomatik

Wichtig ist, dass Abwehrmechanismen nicht vom Grunde her schädlich, also pathologisch sind. Prinzipiell sind sie Handlungen zur intrapsychischen Bewältigung von Konflikten dar. Damit ist immer nur individuell klärbar, ob ein Abwehrmechanismus krankheitsbedingend ist oder nicht. Entscheidend dabei ist, ob er dem individuellen Entwicklungsstand angemessen ist oder ob z.B. ein Erwachsener auf eine kindliche Lösungsstrategie zurückgreift, bei der die Abwehr misslingt.

Abwehr wird schädlich, wenn Affekte, Angst, seelischer Schmerz oder Schuldgefühle aufgrund unverarbeiteter Konflikte entstehen, welche unbewusst gemacht werden oder bleiben sollen. So kann es zu keiner Konfliktlösung kommen, sondern es entsteht lediglich eine Pseudolösung, was wiederum zu komplizierteren Abwehrmaßnahmen führt, um den Konflikt weiterhin unbewusst zu halten. Merkmale einer solchen krankhaften Abwehr können zum einen eine Ich-Einschränkung sein. Dabei sind Wahrnehmung, Unterscheidung, Erinnerung, Denken, Triebsteuerung, sowie eine freie Selbstentfaltung/-verwirklichung eingeschränkt. Andererseits kann es zu einer Überbeanspruchung bestimmter Abwehrmechanismen kommen. Somit kommt es zu vermehrter Unflexibilität, sich an wechselnde Bedingungen anzupassen.

Was hat nun Psychosomatik damit zu tun? Darunter versteht man die Lehre der Krankheiten, die sich körperlich äußern, ihren Ursprung jedoch in der Psyche haben. Hier wird der anfangs beschriebene Zusammenhang zwischen Geist und Seele deutlich. Der Mensch wird nach dieser Lehre als eine biopsychische Einheit gesehen, in der Körper und Seele sich gegenseitig beeinflussen. Psychische und physische Krankheiten werden als alternative Reaktion auf dasselbe Problem gesehen. Somit werden vergangene und/oder aktuelle Konflikte in ein Phänomen mit klassischem Krankheitswert verwandelt. Ursache hierfür ist eine vom Betroffenen als Ohnmacht empfundene Machtkonstellation, die ein Ausweichen erfordert. So wird die Krankheit objektiviert, Symptome auf körperliche Ebene entstehen. Vorteile hiervon sind, dass Krankheiten von gesellschaftlichen und persönlichen Faktoren isoliert diagnostiziert werden können und Krankheiten aus Beziehungsdynamiken herausgenommen werden können. So können Krankheiten medizinisch verdinglicht behandelt werden.

Auch wenn die im Folgenden geschilderte Einteilung aus den 1950er Jahren den aktuellen medizinischen Erkenntnissen nicht immer Stand halten kann und mittlerweile von einer weitgehend multifaktoriellen Entstehungsgrundlage ausgegangen wird, erscheint die Darstellung der Psychosomatosen, die F. Alexander als „Holy Seven“ bezeichnet hat, als sinnvoll und interessant. Nach Alexanders Theorie sind die Organveränderungen durch spezifische psychische Vorgänge bedingt. Damit sind Psychosomatosen hauptsächlich körperliche Reaktionen auf konfliktreiche Erlebnisse oder eine psychische Dauerspannung innerhalb der der Patient in erster Linie körperlich leidet.

Im Folgenden werden die „Holy Seven“ kurz dargestellt:

Bei der Hyperthyreose, der Schilddrüsenüberfunktion, geht Alexander von einem inneren Impuls Leistung erbringen zu müssen und einer frühen Verantwortungsübernahme aus.

Die Ursache der essenziellen Hypertonie (einem Bluthochdruck ohne organische Ursache) sieht er in einem Unvermögen, aggressive Impulse auszudrücken.

Eine ungelöste Mutterbindung, verbunden mit einem Nähe-Distanz-Konflikt und einem über fürsorglichen oder versagendem Erziehungsstil, sieht er grundlegend für ein Asthma bronchiale.

Neurodermitis begründet er mit einer fehlenden mütterlichen Zuwendung und der kindlichen Suche nach Aufmerksamkeit.

Gefühlskalte, ablehnende Eltern, die die Motorik des Kindes stark kontrollieren oder einschränken und zu einer kindlichen Affektunterdrückung führen, sind nach Alexander grundlegend für eine rheumatoide Arthritis. So auch eine liebevolle, aufopfernde Tyrannei über Angehörige und die Übernahme einer Märtyrerrolle.

Bei einem Ulcus duodendi (Zwölffingerdarmgeschwür) bzw. einem Ulcus ventriculi (Magengeschwür) sieht er die Ursache in einem ungelösten Konflikt zwischen kindlichen Abhängigkeitswünschen und dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit.

Als letztes beschreibt Alexander die Colitis ulcerose (Dickdarmentzündung) einerseits aufgrund eines Geborgenheitsverlustes und andererseits aufgrund einer symbiotischen Abhängigkeit von einem Elternteil, der als dominant und kontrollierend beschrieben wird, was dazu führt, dass aggressive Regungen in Autoaggressionen umgewandelt werden.

Weitere Studien über Zusammenhänge und Schutzfaktoren

Das Institue for Social Research an der University of Michigan hat herausgefunden, dass unterdrückter oder latent schwelender Ärger schlecht für unsere Gesundheit ist. Unterdrückte Konflikte führen zu einem Anstieg von Cortisol, was als Stresshormon bekannt ist. Weiter führt die Nichtklärung von Konflikten bei verheirateten Paaren zu einem früheren Tod. Das Ausdrücken von Ärger dagegen führt zu einem erhöhten Selbstkontrollgefühl und mehr Optimismus. Interessant ist auch, dass nur 41% persönliche Klärungsversuche unternehmen.

Eine repräsentative Umfrage der Apotheken-Umschau hat ergeben, dass 32,1% der Menschen Ärger auf dem Magen schlägt. Bei 23,8% führt er zu Herzrasen und erhöhtem Blutdruck. In 21,5% kommt es zu Kopfschmerzen. Dabei sind besonders Frauen betroffen: Bei 41% kommt es zu Magenschmerzen, bei 29,7% zu einem erhöhten Blutdruck und bei 29,9% zu Kopfschmerzen.

Weitere Zusammenhänge zwischen Krankheit und Konflikten konnten bei Trauerfällen und Verlusten festgestellt werden, sowie bei der Anpassung an eine neue Arbeitsstelle oder Rolle. Auch beim Wechsel der sozialen Klasse von einer niedrigeren in eine höhere, sowie bei Statusinkongruenz (der Bewegung in diversen sozialen Kreisen) und geographischer Mobilität (gehäufte Umzüge) sind Zusammenhänge feststellbar.

Oft können uns Schutzfaktoren vor solchen Krankheiten bewahren oder bei der Beseitigung unterstützen. So haben soziale Faktoren einen Einfluss auf unsere Gesundheit. Erfahrungen, welche wir als Säugling und in der Kindheit gemacht haben, beeinflussen, wie wir später mit sozialer Veränderung umgehen. Im Laufe unseres Lebens erlernen wir alle unterschiedliche äußere und innere Resilienzfaktoren, welche uns einerseits schützen und andererseits bei einer Genesung unterstützen. Solche Resilienzfaktoren sind Dinge, die uns Kraft und Stabilität geben, z.B. Geld, Bildung, Arbeit, Fähigkeiten, Talente, Freunde, Gemeinschaft, Loslassen können, sich nicht an Menschen, Ideen, Situationen anklammern, Phantasie, Lösungsorientierung, Mut, Niederlagen als vorübergehend einschätzen können, Glaube an das Gute/Sinn, Solidarität, Akzeptanz, Selbstwirksamkeit, Zukunftsorientierung, Optimismus, Verantwortung, Netzwerkorientierung, Lösungsorientierung. Die Liste lässt sich beliebig verlängern.

Ein paar interessante Zusammenhänge zum Schluss:
Bei vielen Erkrankungen oder Symptomen verwenden wir bereits meist unbedacht Beschreibungen, die auf einen psychosomatischen Ursprung zurückzuführen sind (dabei sind immer auch an mögliche körperliche Ursachen zu denken!):
„Den Brocken nicht zu fassen kriegen“ - biologischer Effekt = Polypen im Rachenraum

„Sich durchbeißen müssen“ - biologischer Effekt = Kopf- und Nackenschmerzen durch das Kiefergelenk

„Das ist mir auf den Magen geschlagen“ - biologischer Effekt = Magenverstimmung bis hin zu Verdauungsstörungen

Aussage „das Gesicht verlieren, zum Narren gemacht worden sein“ - biologischer Effekt = Gesichtslähmung (halb oder ganzseitig) im schlimmsten Fall ein Schlaganfall

Auch können Krankheiten oftmals unerklärlich auftreten, jedoch einen tiefgründigen Konflikt als Ursache haben.
Trennungskonflikte: Abriss des Körperkontakts, Verlust des Kontakts zur Mutter, zur Herde, zur Familie, zu Freunden - mögliche Folgen: Schuppenflechte, Haarausfall, Taubheit an der Knochenhaut (primär die Stelle mit der man selbst Schmerzen zugefügt hat), strukturelle Schäden an der Linse – Folge „grauer Star“

Riechkonflikt des "nicht riechen Wollens" - mögliche Folge: Riechverlust

Hörkonflikt des "nicht hören Wollens" - mögliche Folge: Hörverlust

Angst im Nacken-Konflikt: Gefahr, die von hinten droht/lauert und die man nicht abschütteln kann - mögliche Folge: Verlust der Sehfähigkeit

Konflikt des "nicht ausweichen Könnens“ - mögliche Folge: Lähmungen oder Schmerzen in Rücken- und Schultermuskulatur

Konflikt des "nicht festhalten oder abwehren können" - mögliche Folge: Lähmungen oder Schmerzen der Arme, Hände

Hauptziel einer modernen Medizin ist die Beseitigung der Krankheitsursache. Da in der Behandlung irgendwann und irgendwo in der Kette der Wechselwirkungen eingegriffen wird, was in der Realität tatsächlich relativ spät geschieht, wird sich so meist auf die Behandlung der Symptome beschränkt. Der ganzheitliche Gesundheitsgedanke greift früher und versucht, die mehrdimensionalen Ursachen selbst zu behandeln.

Leiden Sie unter einem aktuellen oder früheren Konflikt oder an Symptomen, für die sich keine organische Ursache finden lässt? Gerne begleite ich Sie innerhalb eines ganzheitlichen Gesundheitsgedankens auf der Suche nach mögliche Ursachen und deren Linderung.

Ihre
Victoria Knoth
Heilpraktikerin für Psychotherapie

Quellen:
Glasl, Friedrich (2013): Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater (11. Aufl.). Verlag Freies Geistesleben: Stuttgart.
Online im Internet: https://flexikon.doccheck.com/de/Gesundheit [Stand: 19.06.2019]
Ofenstein, Christopher (2016): Lehrbuch Heilpraktiker für Psychotherapie (3. Aufl.), Elsevier Verlag: München, S. 57, 220
Horn, Klaus/Beier, Christel/Wolf, Michael (1983): Krankheit, Konflikt und soziale Kontrolle. Eine empirsische Untersuchung subjektiver Sinnstrukturen. Westdeutscher Verlag Opladen: Darmstadt.
Totman, Richard (1982): Was uns krank macht. Die sozialen Ursachen der Krankheit. Beck Verlag: München
Online im Internet: https://www.psychotherapiepraxis.at/pt-blog/konflikt-unterdruecken-krankheit/ [Stand: 19.06.2019]