Blutegeltherapie und ihre Anwendungsmöglichkeiten

Sicherlich haben Sie schon einmal etwas über Blutegel gehört. Diese in vielen Augen etwas gewöhnungsbedürftige traditionelle Methode gewinnt heutzutage wieder immer größerer Beliebtheit. Sind die ersten Hemmungen erst einmal überwunden, diese kleinen Blutsauger an den eigenen Körper zu lassen, können die heilenden Speichelsubstanzen medizinischer Blutegel vor allem bei lokalen Entzündungen und bei der Ausleitung von Giftstoffen eingesetzt werden.

Ursprünge

Die Blutegeltherapie gehört zu den uns ältesten bekannten Ausleitungsverfahren. Bereits viele Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung nutzen die Inder die medizinischen Vorteile der Blutegel. Etwa 200 v.Chr. begannen in Europa Ärzte damit, Blutegel bei Entzündungen des Brust- und Rippenfells, sowie bei eitrigen Geschwüren, Hautkrankheiten oder Venenleiden einzusetzen. Um Entzündungen, Venenleiden, Blutergüsse und sogar Depressionen und Migräne zu lindern, bedienten sich sogar die Germanen der Blutegel. Zu einem extrem erhöhten Einsatz der kleinen Tiere kam es im 18. Jahrhundert, wo in Frankreich bei Patienten bis zu 30 Blutegel eingesetzt wurden. Anfang des 19. Jahrhundert exportierte dann Deutschland etwa 30 Millionen der Egel nach Amerika. Etwa die gleiche Menge wurde selbst in Deutschland verwendet.

Es gab keine Krankheit, die nicht mit Blutegeln zu heilen versucht wurde: von Fettsucht, über Asthma, Schwindsucht, Verstopfung bis hin zu Nymphomanie. Nicht verwunderlich, dass um 1900 die Blutegel in Deutschland ausgerottet waren und der Nachschub ausblieb. Dazu kam in dieser Zeit das Wissen um die Existenz von Taktieren verbunden mit der zunehmenden Infektionsangst. Auch als neue medizinische Behandlungsmethoden Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr auf dem Vormarsch waren, gerieten die nützlichen Blutegel immer mehr in den Hintergrund. Erst vor ca. 25 Jahren wurden die schwarzen länglichen Tierchen wiederentdeckt. Zunächst wurden die Blutegel in der plastischen Chirurgie wieder eingesetzt. Seitdem wird diese Therapieform wieder immer öfters angewandt. In Deutschland werden heute jährlich wieder bis zu 400.000 Blutegel zu therapeutischen Zwecken verwendet.

Blutegeltherapie

Als naher verwandter des uns allen bekannten Regenwurmes wird zu therapeutischen Zwecken heute der Egel Hirudo medicinalis verwendet. Dieser Blutegel wird extra für medizinische Zwecke gezüchtet und ist im medizinischen Sinne ein Einmalprodukt. Anatomisch ist der Egel 2 – 4 cm lang, dunkelgrün bis schwarz und besitzt an beiden Körperenden Saugnäpfe. Der Blutegel besitzt 3 Kiefer und 240 spitze Zähnchen, mit denen er sich an der betreffenden Stelle am menschlichen Körper festbeißt und seinen Speichel, indem bis zu 40 bekannte Inhaltsstoffe vorhanden sind, die vor allem gerinnungshemmend, gefäßweitend, entkrampfend, entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken, in den menschlichen Körper abgibt. Die beiden Inhaltsstoffe Hirudin und Eglin verbessern dabei zum Beispiel die Fließeigenschaft des Blutes. Eine Blutegeltherapiesitzung dauert etwa 1 bis 2 Stunden. Die Blutegel selbst beißen sich ca. 1 Stunde in der Haut fest und saugen in dieser Zeit jeweils etwa 10 bis 15 ml Blut aus dem Körper – das ist etwas das fünffache ihres Eigengewichtes. Die Wunde bleibt nach dem Saugen mehrere Stunden offen, wodurch es zu leichten Nachblutungen von 20 bis 40 ml kommt. Eine Infektion der Bisswunde verhindern dabei die entzündungshemmenden Substanzen im Blutegelspeichel.

Nebenwirkungen

In der Regel ist eine Blutegel-Behandlung sehr gut verträglich. Auftretende Nachblutungen sind ausdrücklich erwünscht. Manchmal kommt es wenige Tage nach der Behandlung zu einem Juckreiz an der Bissstelle. Kühlung verschafft hier gute Linderung. Nach wenigen Tagen vergeht der Juckreiz selbstständig. Selten kann es zu einem Bluterguss oder Einblutungen kommen, auch länger andauernde Blutungen sind eher selten und können mithilfe eines Druckverbandes gestillt werden. Manchmal sind kleine, helle sternartige Narben an der Bissstelle zu sehen, die den Kiefer der kleinen Egel abzeichnen. Diese können mit der Zeit verblassen. Ernsthafte Nebenwirkungen sind allerdings noch nicht beobachtet worden.

Da die Egel sehr sensibel sind, müssen sie fachgerecht behandelt werden und sollten nur durch extra geschultes Personal eingesetzt werden. Blutegel bevorzugen eine ruhige Atmosphäre bei schwachem Licht. Sie mögen es nicht, mit einer Zange angefasst zu werden oder gar auf parfümierte Haut aufgesetzt zu werden. Der Biss des dann angespannten Blutegels verursacht mehr als gewöhnlich Rötungen und dann kann es sogar passieren, dass die Tiere unter dem dann stehenden Stress in die eigene Bisswunde hinein erbrechen. Dann kann es zu Infektionen kommen. Unter normalen Umständen und bei befolgen der Angaben des Anwenders, muss der Patient jedoch keine Angst vor einer Infektion haben.

Aus hygienischen Gründen wird jeder Egel nur einmal verwendet. Sonst könnten sich Erreger wie etwa HIV oder Hepatitis übertragen. Die Egel werden nach der Anwendung entweder medizinisch entsorgt oder an den Züchter zurückgesendet, wo sie sich in einem „Rentnerbecken“ bis zu zwei Jahren von ihrer Blutmahlzeit nähren können.

Kontraindiziert ist eine Blutegeltherapie bei Schwangeren und Kleinkindern, sowie bei Gerinnungsstörungen, Bluterkrankungen und Diabetes. Auch bei der Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten und einer Histaminunverträglichkeit ist von einer Blutegelbehandlung Abstand zu nehmen.

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