Die Medizin nach Hildegard von Bingen

Hildegard von Bingen entwickelte im 12. Jahrhundert ein ganzheitliches Heilsystem, welches auf der Einheit von Körper, Seele und Geist basiert. Ein gestörtes Verhältnis des Menschen zu Gott sah die Äbtissin als Ursache aller Krankheiten an. Aus diesem Missverhältnis resultierte ihrer Ansicht nach ein Ungleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele. Dieses wurde durch eine falsche Lebensführung zusätzlich negativ beeinflusst.

Zu dem ganzheitlichen System von Hildegard gehören mehrere Säulen:

  • Die Ernährungslehre
  • Die Kräuterheilkunde
  • Ausleitende Verfahren
  • Edelsteintherapie
  • Gesunde Lebensführung
  • Spirituelle Psychotherapie

Großen Wert legte Hildegard von Bingen auf die Ernährung, da gesunde Nahrungsmittel eine große Heilkraft besitzen. Vor allem betonte sie die Bedeutung von Gewürzen, wie Galgant, Bertram, Quendel und Dill. Der noch heute verwendete Dinkel war für sie das beste Getreide. Rohes Gemüse oder Salat sollte eher nicht gegessen werden, vielmehr betonte sie den gesundheitlichen Wert von gedünstetem Gemüse, wie etwa Fenchel. Regelmäßige Fastenkuren dienten der körperlichen und seelischen Entgiftung. So empfahl sie einmal im Jahr für mindestens eine Woche zu fasten.

Hildegard von Bingen verband in ihren Rezepten die traditionelle Klostermedizin des Mittelalters mit dem volkstümlichen Heilwissen. Besondere Heilkraft ordnete sie den Pflanzen Akelei, Alant, Andorn, Bachbunge, Beifuß, Brennnessel, Fenchel, Galgant, Liebstöckel, Muskat, Petersilie, Quendel (Feldthymian), Ringelblume, Salbei, Schafgarbe, Veilchen, Wermutkraut und Zimt zu. Eine für ihre Zeit typische Darreichungsform war der Heilwein. Sie entwickelte ein Rezept für einen „gelösten Wein“, der keinen Alkohol enthielt und bei nervlicher Belastung verabreicht wurde. Hierzu wurde der Wein gekocht und mit warmen Wasser vermischt getrunken.

Neben der Wirkkraft der Pflanzen setzte Hildegard von Bingen auf ausleitende Verfahren. Diese waren in der damaligen Zeit weit verbreitet. Die schlechten Säfte sollten nach den Annahmen der Vier-Säfte-Lehre aus dem Körper ausgeleitet werden. Aderlass, Schröpfen und Moxibustion waren eine beliebte Ausleitungsformen. Zur Moxibustion wurde eine getrocknete Beifußkrautkugel angezündet und über die schmerzende Stelle gehalten. Durch die Hitze wurde die Durchblutung gesteigert und der Schmerz gelindert. Heutzutage wird hierzu eine Beifußzigarre verwendet.

Gichtkranken empfahl die Äbtissin eine Goldkur. Allgemein wendete sie Edelstein- und Metalltherapien bei diversen Leiden an.

Modernisiert haben die Ärzte Hertzka und Strehlow Anfang der 1970er Jahre die Hildegard-Medizin. Die wandelten die sechs Säulen von Hildegard in die Säulen der Ernährungslehre, Pflanzenheilkunde, Edelsteintherapie, Ausleitungsverfahren und einem geregelten Wechsel zwischen Ruhe und Aktivität um. Rund 2000 Rezepte von Hildegard von Bingen wurden durch Dr. Hertzka auf ihre Wirksamkeit getestet. Jedoch ist es mittlerweile schwierig, die Originalrezepturen auf unsere Verhältnisse zu übertragen. Außerdem empfahl Hildegard von Bingen auch die Anwendung giftiger Pflanzen.

Als Begleittherapie oder zur Vorbeugung von Zivilisationskrankheiten eignet sich die Medizin nach Hildegard von Bingen aufgrund einer gesunden Ernährung, sowie der Ausleitungs- und Entgiftungsgrundlage.

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